Kolumne Achtsamkeit im Alltag von Heike Wagner
Nein, Achtsamkeit ist kein Wohlfühlprogramm. Es geht nicht allein um die guten Momente des Lebens, die wir erleben und genießen können. In jedem Moment präsent sein, ob herrlich oder hässlich, froh und leicht oder schmerzhaft und bedrückend: Das ist die achtsame Lebenskunst.
„Full catastrophy living“, um es mit Jon Kabat-Zinn zu sagen. So lautet der englische Originaltitel seines in Deutschland unter dem Titel „Gesund durch Meditation“ erschienenen Buches über die Stressbewältigung durch Achtsamkeit (MBSR).
„Aber wenn es schwierig wird, das will ich lieber nicht so genau mitbekommen“, werden Sie vielleicht einwenden. Damit sind Sie nicht allein. Automatisch wenden wir uns meist ab, wenn schwierige Gefühle oder Schmerz auftauchen. Ablenkungen aller Art sind beliebte kleine Fluchten:
das regelmäßige Glas Wein zu viel, sich mehr als notwendig in die Arbeit stürzen, ausgiebiges Internetsurfen, chatten, analysieren und grübeln …
Aber wo bleibt das Problem, was wird aus dem weggeschobenen Unbehagen?
Wissen Sie immer, was Sie fühlen?
Achtsam betrachtet liegt die größte Herausforderung meist weniger in den äußeren Geschehnissen. Sie besteht vielmehr darin, wie wir darauf reagieren, wie wir schließlich mit unseren unerwünschten Erfahrungen umgehen.
Was geschieht z.B. bei Angst? Der Körper bringt sich in Abwehrhaltung: Spannung, Verhärtung, z.B. im Kiefer, in den Schultern. Bereit zum Kämpfen oder Flüchten, wie unsere Vorfahren, bedroht vom Säbelzahntiger. Das kostet viel Energie … Und statt bewusst zu handeln, reagieren wir hart und angespannt.
Was geschieht, wenn wir uns öffnen und nur wahrnehmen?
Großen und kleinem Schmerz, Lagen, die gerade anders sind, als wir sie gerne hätten, das erfahren wir täglich. Und so sehr wir uns bemühen, alles Vertraute immer zu erhalten. Es gelingt nicht. Es passieren Dinge, die wir nicht beeinflussen können.
Das einzig Beständige ist der Wandel, heißt es. Und das lehrt jede Meditation. Wunderbare Momente vergehen und wenn wir sie festzuhalten versuchen, leiden wir. Aber ebenso verändern sich auch unangenehme Erfahrungen, wenn wir uns wagen sie zu erleben, sie bewusst wahrzunehmen. Und vielleicht kommt es dann gar nicht so schlimm, wie befürchtet?
Sanftmütig mit uns selbst. Sanft und mit Mut bei dem sein was gerade ist?!
Für manche in der Praxis immer wieder eine Überraschung: „Wenn ich innehalte und mich bewusst nicht dagegen stemme und verspanne, komme ich mit meinem Rückenschmerz viel besser klar. Er ist nicht mehr so groß und wichtig.“