Gut gestimmt?

Kolumne Achtsamkeit im Alltag von Heike Wagner

„Ja, ich bin ganz gut gestimmt“, antwortet die Freundin. Ich telefoniere mit ihr, nachdem sie sich ein paar Wochen zuvor in den Renten-Ruhestand verabschiedet hat.
So sicher war das nicht. Die Stimmung war und ist schon etwas gemischt. „Ein lachendes, ein weinendes Auge“, wie man so schön sagt. Wie würde es gelingen, dass  sich die Tage ohne Arbeits-Alltag stimmig anfühlen. Nun gut: Reisen, mehr Zeit für Freunde, ehrenamtliches Engagement … Pläne gibt es seit längerem reichlich.
Aber gelebt werden will das Leben immer „genau jetzt“.  Und manchmal ist das dann ganz gewöhnlich, alltäglich, unbedeutend. Und auf die Stimmung schlagen kann da rasch etwas. Das kennt sie gut. Morgens ohne feste Pläne in die Gänge kommen? Nicht immer leicht. Die Allergie plagt momentan wieder sehr. Auch die Sorgen um die pflegebedürftige Mutter.

Gut gestimmt? Wir lachen gemeinsam. Was uns die Alltagssprache doch für nützliche Hinweise gibt: Bei guter Stimmung sein, in Übereinstimmung mit dem, was uns begegnet …  Die Herkunft des Wortes birgt neben dem Gemütszustand des Menschen auch eine weitere Bedeutung:  das Stimmen von Musikinstrumenten. Verstimmt sein oder eben in Einklang, passend, stimmig.
Vor dem kleinen Lied oder dem großen Konzert, nie würden Gitarristin, Geiger oder Pianistin beginnen, ohne vorab das Instrument zu stimmen. Und was würde geschehen, wenn Sängerinnen und Sänger mit unvorbereiteter Stimme losschmetterten?

Also, wie gelingt es, dass das neue Leben sich stimmig anfühlt?
Wie stimmst du dich ein auf deine Tage?
Das tue ich tatsächlich, meint sie:  Ich habe eine regelmäßige kleine Yoga-Einheit am Morgen, dann ein fruchtiges Frühstück – ohne Radio, Handy und Zeitung! – eine stille Zeit für mich, die ich richtig auskoste. Eine Zeit, wo nichts getan, geplant, geschafft werden muss.  Das verbindet mich mit dem Moment und stärkt mich für den Tag.
So erforschen es Menschen auch, wenn Sie Achtsamkeit im Alltag üben:  Ein paar Minuten Stille auf der Bettkante am Morgen, eine Dehnübung, die Treppe ins obere Stockwerk bewusst gegangen … mit allen Sinnen und ganz bei der Sache.  Nicht nur im Ruhestand.

Und wie stimmen Sie sich auf Ihren Tag ein?